Änderungen von A2 zu A2NEU
Ursprüngliche Version: | A2 |
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Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 17.05.2018, 20:56 |
Neue Version: | A2NEU |
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Status: | Modifiziert |
Eingereicht: | 03.06.2018, 10:46 |
Titel
Antragstext
Von Zeile 1 bis 187:
Ausgehend vom Vorschlag des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sieht
Campusgrün in der Etablierung von sogenannten Europa-Universitäten eine Chance
für eine wertebasierte1 europäische Forschung und Lehre, die das europäische
Gemeinschaftsgefühl festigen und Ungleichheiten abbauen könnten. Dabei dürfen
sie aber nicht zu elitären Bildungseinrichtungen verkommen, sondern müssen mit
dem allgemeinen Recht auf Bildung übereinstimmen und Bildungsungleichheiten
bekämpfen.
Europäische Universitäten - Die nächste Stufe notwendiger europäischer
Zusammenarbeit
Nationalstaaten offenbaren sich immer mehr als ein Konstrukt der Vergangenheit,
das vielen aktuellen und zukünftigen politischen, wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Aufgaben nicht mehr gerecht wird. Für die heutigen global
relevanten Probleme und Zukunftsfragen wie Klimakrise, Digitalisierung,
demografischer Wandel, deregulierter globaler Finanzmarkt und mächtige
internationale Großkonzerne bei gleichzeitig nationalistischen und illiberalen
Backlashs braucht es vor allem geeinte wertebasierte Antworten auf europäischer
Ebene. Dazu bedarf es auch einen starken wissenschaftlichen Standort in Europa
mit einem europäischen akademischen Unterbau und europäischen Studierenden.
Gleichzeitig sollten Europa-Universitäten dabei helfen, das europäische
Gemeinschaftsgefühl zu festigen und Bildungsungleichheit zwischen den
Mitgliedsstaaten abzubauen.
Europäische Universitäten mit wirklich europäischen Charakter
Der europäische Charakter der Europa-Universitäten sollte sich nach den
Ansichten von Campusgrün an den Standorten, dem Studienverlauf, den
Forschungsschwerpunkten, den Studierenden und der Finanzierung zeigen.
Europäische Universitäten bestünden aus einem Netzwerk von Fakultäten und
Instituten bestehender Universitäten von Ländern der Europäischen Union, die
ihre Zusammenarbeit vertiefen würden. Die Standorte der Institute bzw. der
Fakultäten einer Europa-Universität sollten dezentral über die verschiedenen
Länder Europas verteilt sein, um auch strukturschwache Regionen nicht aus dem
Auge zu verlieren und um der wirtschaftlichen und machtpolitischen Dominanz von
Ländern wie Deutschland entgegen zu wirken. Der Studienverlauf sollte nicht nur
auf die Inhalte der jeweiligen Fächer konzentriert sein, sondern auch
verpflichtende Veranstaltung zur europäischen Geschichte, Kulturen oder
Entwicklung der Europäischen Union beinhalten, die von allen Studierenden
besucht werden müssten. Dabei könnten unterschiedliche Schwerpunkte gelegt
werden. Dies würde das Verständnis für Europa sensibilisieren, die
Identifizierung mit dem europäischen Kontinent und der Europäischen Union
stärken, das europäische Gemeinschaftsgefühl festigen und gleichzeitig eine
individuelle Schwerpunktsetzung zwischen den verschiedenen Themenfeldern
ermöglichen. Studierende sollten von den unterschiedlichen Standorten der
Universitäten profitieren können und Veranstaltungen an unterschiedlichen
Standorten ohne großen bürokratischen Aufwand belegen können. Idealerweise
sollten die Studierenden am Ende ihres Abschlusses in unterschiedlichen Ländern
studiert und dabei verschiedene Studienabschnitte aus unterschiedlichen Orten
miteinander kombiniert haben. Die Forschungsschwerpunkte müssten auf
europäischen Werten wie Wahrung der Menschenrechte, Solidarität, Demokratie,
Freiheit, Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit basieren und sollten dem Frieden
und der Demokratieförderung dienen. Campusgrün fordert hier entsprechend des
Beschlusses zur demokratischen Bildung für ein offenes und demokratisches Europa
aus dem Jahr 20142 eine europaweite Zivilklausel, die auch für europäische
Universitäten gelten müsste. Gleichzeitig lehnt Campusgrün Forschung zur
Grenzsicherung und Abwehr von Flüchtlingen und Migrant*innen an den europäischen
Universitäten ab. Um auf globale Probleme gemeinsame europäische Antworten geben
zu können, sollte der Fokus auch auf interdisziplinären Forschungsprojekten
liegen, die sich mit den Herausforderungen und der Zukunft Europas
auseinandersetzen, beispielsweise in den Bereichen der klimaneutralen
Energieversorgung oder der künstlichen Intelligenz. Aufgrund von solch ethisch
tendenziell fragwürdigen Themenbereichen wie künstlicher Intelligenz oder
Genforschung sollten gleichzeitig Ethikzentren an den Instituten existieren, die
die ethischen Implikationen dieser Forschungsbereiche reflektieren würden. Die
Studierenden sollten möglichst aus allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union
stammen, jedoch sollte es auch Plätze für Studierende aus Nicht-EU-Staaten
geben, um die Internationalität zu wahren und dem Anspruch der Weltoffenheit der
Europäischen Union gerecht zu werden. Die Finanzierung von Forschung und Lehre
würde aus dem EU-Haushalt bezuschusst werden. Auch bei der Finanzierung der
europäischen Universitäten aus den EU-Mitteln gilt für Campusgrün weiterhin: Es
bedarf einer bedarfsgerechten Grundfinanzierung, die einer Leuchtturmbildung auf
Kosten breit aufgestellter Universitäten entgegenwirkt, einen eins zu eins
Bachelor-Master-Übergang ermöglicht und kritische Forschung zulässt3.
Europäische Universitäten für alle
Artikel 14 der Europäischen Grundrechtscharta, der das „Recht auf Bildung sowie
Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung“ formuliert, müsste auch bei
den zukünftigen Europa-Universitäten gelten. Chancengerechtigkeit und damit ist
eine bestmögliche Chancengleichheit unabhängig von askriptiven Merkmalen
gemeint, müsste auch bei der Zulassung zu den Europa-Universitäten eine
entscheidende Rolle spielen. Sonst droht die Gefahr, dass diese sich zu
europäischen Elite-Universitäten entwickeln würden. Das würde bestehende
Bildungsungleichheiten und Chancenungleichheiten zwischen Milieus und sozialen
Gruppen verfestigen und sie weiter spalten, auch was ihre Einstellungen zur
Europäischen Union anginge. Damit käme das Zulassungsverfahren dem Ziel einer
Festigung des europäischen Gemeinschaftsgefühls für breitere
Bevölkerungsschichten nicht gerecht. Daher ist klar, dass Europa-Universitäten
nur als Universitäten für potentiell alle dem Ziel der Europäischen Solidarität
und der Verfestigung des Gemeinschaftsgefühls gerecht werden könnten. Die
Erhebung von jeglichen Studiengebühren lehnt Campusgrün auch in diesem Kontext
ab. Daher sollte bei den Zulassungsverfahren die Motivation der Studierenden
eine große Rolle spielen und explizit auch Personen mit einem hintergründig
niedrigeren Bildungsniveau Chancen eingeräumt werden. Gleichzeitig ist sich
Campusgrün auch dem Umstand bewusst, dass soziale Selektion bei der
Immatrikulation schon durch Herkunftsunterschiede stattgefunden hat. Für den
Abbau von Bildungsungleichheiten durch gleiche Bildungschancen für alle benötigt
es Maßnahmen im Bildungssystem, die schon in der frühkindlichen Bildung im
Kindergarten beginnen und sich über die schulische Laufbahn hinwegziehen.
Europäisches BAföG zur bedarfsdeckenden Finanzierung
Zur Finanzierung der Lebensunterhaltungskosten während des Studiums ist ein aus
dem EU-Haushalt gespeistes Ausbildungsgeld notwendig, wie es auch für alle
europäischen Universitäten, Hochschulen und Schulen gelten sollte, unabhängig
vom Pass und dem Einkommen der Eltern. Für das Instrument der
Ausbildungsfinanzierung gelten für Campusgrün die gleichen Anforderungen wie für
das deutsche BAföG, regionale Unterschiede müssten hier in der Förderung jedoch
noch stärker in allen Bereichen der Förderung berücksichtigt werden, so wie es
auch schon beim Mobilitätsstipendium im Zuge von Erasmus der Fall ist.
Nachhaltige europäische Universitäten – für eine ökologische Transformation
Für das inter- und transdisziplinäre Thema Nachhaltigkeit sollte als
überfachliche Qualifikation ein Studium Oecologicum angeboten werden, wie es
schon an manchen Universitäten, z.B. in Tübingen der Fall ist. Kurse darin
vermitteln Konzepte einer nachhaltigen Entwicklung als bewertungs-,
entscheidungs- und handlungsleitendes Leitbild. Studentische Initiativen in
diesen Bereichen sollten im Sinne von Green Offices oder als
Nachhaltigkeitsbüros von den Universitäten finanziell, organisatorisch und
personell unterstützt werden, da sie die treibenden Kräfte der sozial-
ökologischen Transformation neben der Forschung an den Hochschulen darstellen.
Auch im Betrieb müssten die Europa-Universitäten der Nachhaltigkeit und dem
Klimaschutz gerecht werden. Dabei wäre ein energieeffizienter, klimaneutraler
und ressourcenschonender Betrieb essentiell. Dazu gehört auch, dass keine
Investitionen in fossile Industrien wie Kohle-, Gas- und Öl getätigt werden
würden und nicht mehr in dies beinhaltende Fonds investiert würde, was im Moment
an vielen Universitäten nicht als problematisch thematisiert wird. Damit folgt
Campusgrün dem bisherigen Beschluss zum Anlagemanagement von Universitäten aus
dem Jahr 2014. Auch beim Mensaessen müssen sozial-ökologische Aspekte eine Rolle
spielen und sich beispielsweise im Preis und Angebot widerspiegeln, entsprechend
dem Campusgrün Beschluss zum Essensangebot in Mensen von 2015. Für die Umsetzung
und die Evaluation des nachhaltigen Betriebs müssten Nachhaltigkeitsbeauftragte
auf der Führungsebene etabliert werden. Sie wären dafür zuständig die
nachhaltige Entwicklung in Anlehnung an die Sustainable Development Goals
strategisch zu begleiten und darüber zu berichten.
Gleichstellung an den europäischen Universitäten
Die Universitäten müssten der Gleichstellung verpflichtet sein. Um
Gleichstellung und ein diskriminierungsfreies Klima innerhalb der Universität zu
ermöglichen, müssten zentrale und dezentrale Stellen für
Gleichstellungsbeauftragte als fester Teil der Universitätsleitungen und der
Fakultäten sowie der Institute geschaffen werden. Eine der wichtigsten Aufgaben
würde darin bestehen, bei der Besetzung von Stellen mitzuwirken und bei der
Stellenausschreibung, dem Auswahlverfahren und den Auswahlgesprächen beteiligt
zu sein. Bei Verdacht der Diskriminierung müssten sie ein aufschiebendes Veto
besitzen. Gleichzeitig sollten sie auch Anlaufstelle sein für Personen, die
sexualisierte Gewalt erfahren haben oder innerhalb der Universität
Benachteiligung wegen ihres Geschlechts erfahren haben oder befürchten. Dazu
müssen die Gleichstellungsbeauftragte weisungsfrei arbeiten können und genügend
Sach- und Personalmittel zur Verfügung haben.
Studentische Selbstverwaltung an der demokratischen europäischen Universität
Die Europa-Universitäten sollten auch ein Ort der Demokratie und der gelebten
Partizipationskultur darstellen. Dazu bedarf es wie in vielen europäischen
Ländern verbindliche Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten und eine
eigene Beitrags- und Satzungshoheit der Studierendenschaft, damit diese sich
eine instituts- und fakultätsübergreifende transnationale europäische politische
Vertretung geben könnte. Alle anderen Statusgruppen von Professor*innen,
Mittelbau und Angestellte sollten ebenfalls von Seiten der Universitäten zur
Verfügung gestellt werden. Das gleiche sollte auch für sonstige studentische
Hochschulgruppen gelten. Des Weiteren wäre es wichtig, dass eine Viertelparität
in den akademischen Gremien herrschen würde.
Die Umsetzung – ein langer und steiniger Weg zur europäischen Universität?!
Der Weg zu supranationalen Europa-Universitäten ist kein einfacher, der bei den
europäischen Universitäten höchstwahrscheinlich Schwierigkeiten und Probleme in
der Umstellung der Verwaltung, bei der Harmonisierung der Studienverläufe und
durch abzubauende Sprachbarrieren und auf der politischen Ebene
Meinungsverschiedenheiten über die konkrete Ausgestaltung und
Kompetenzverlagerungen mit sich bringen wird. Die EUCOR-Kooperation von
Universitäten am Oberrhein kann hier als ein Vorzeigeprojekt transnationaler
Zusammenarbeit angesehen werden, dessen weitere Vertiefung Campusgrün unter den
genannten Gesichtspunkten ausdrücklich unterstützt. Dabei müssen jedoch auch die
Studierenden miteinbezogen werden. Auch ist die Flexibilisierung der Anerkennung
von Leistungen und Zeugnissen entscheidend und eine ausreichende
Sprachausbildung der Studierenden an den Universitäten, um dem Projekt Europa-
Universitäten als nächste Stufe europäischer Integration und Zusammenarbeit in
den nächsten Jahren Wirklichkeit werden zu lassen. Die Verwirklichung der
Europa-Universitäten darf dabei nicht auf sich warten lassen, sonst werden
Länder wie Ungarn oder Polen ihren Universitäten den Grundsatz der
Wissenschafts- und Meinungsfreiheit endgültig entzogen haben, was für eine
wertebasierte europäische Lehre und Forschung mit diesen Ländern das Aus
bedeuten und die Europäische Union als Ganzes schwächen würde.
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1Damit sind europäische Werte aus dem Lissabon Vertrag wie Wahrung der
Menschenrechte, Solidarität, Demokratie, Freiheit, Gleichheit und
Rechtsstaatlichkeit gemeint.
2http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/7499815.html
3Campusgrün Beschluss „Nein zur Exzellenzinitiative – Ja zur Uni für alle“
http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/9061633.html
4Campusgrün Beschluss „Für eine umfassende BAföG-Reform!“
http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/10511312.html
5Campusgrün Beschluss „Unterstützung von Green Office Initiativen“
http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/9188920.html
6http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/7919864.html
7http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/8441792.html
8Campusgrün Beschluss “Hochschulräte abschaffen - Viertelparität in akademischen
Gremien einführen” http://www.campusgruen.de/themen/demokratie/7770717.html
Nationalstaaten offenbaren sich immer mehr als ein Konstrukt der Vergangenheit,
das vielen aktuellen und zukünftigen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aufgaben nicht mehr gerecht wird. Für die heutigen global relevanten Probleme und Zukunftsfragen wie Klimakrise, Digitalisierung, demografischer Wandel, deregulierter globaler Finanzmarkt und mächtige internationale Großkonzerne bei gleichzeitig nationalistischen und illiberalen Backlashs braucht es auch im akademischen Betrieb eine Antwort über eine wertebasierte Forschung und Lehre u.a. auch auf europäischer Ebene. Es muss überlegt werden in welcher Form sinnvoll auf staatenübergreifender Ebene Wissenschaftsfreiheit, kritische Forschung und Ethik in der Wissenschaft und eine demokratische, emanzipatorische und nachhaltige Hochschullandschaft vorangetrieben werden kann. Möglicherweise können Universitäten auf europäischer und perspektivisch auch auf globaler Ebene dazu führen, eine Wahrnehmung zwischenmenschlicher Gemeinschaft, die nicht auf Nationalitäten beruht, und strukturschwache Standorte zu fördern und zur Demokratie- und Rechtsstaatlichkeitsförderung beizutragen.
Folgende Aspekte sind dabei für Campusgrün für supranationale Universitäten essentiell:
- Universitäten als Verbund aus unterschiedlichen Standorten
- Wertebasierte emanzipatorische Forschung und Lehre, d.h. z.B. ohne Rüstungsforschung
- Universitäten mit demokratischer Mitbestimmung
- Solidarische Finanzierung (z.B. aus dem EU-Haushalt)
- Einbindung strukturschwacher Regionen für die Standorte
- Zugangsfreie Universitäten, d.h. ohne Studiengebühren und diskriminierende Zulassungsverfahren, damit keine Eliten-Universitäten entstehen
- Nachhaltige Universitäten in der Lehre, der Forschung und im Betrieb
- Der Gleichstellung und Inklusion verpflichtet
- Ermöglichung des Studierens an unterschiedlichen Standorten
- Beinhaltung von Studienabschnitten, die sich mit supranationaler Geschichte, Kulturen und Politik befassen
- Bedarfsgerechte Grundfinanzierung, d.h. keine „Leuchtturmfinanzierung“
- Universitäten ohne prekären Arbeitsbedingungen