Veranstaltung: | 35. Campusgrün Bundesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 8.3. inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Bundesmitgliederversammlung (dort beschlossen am: 11.03.2017) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 11.03.2017 |
Eingereicht: | 11.03.2017, 15:08 |
A1: Keine Zusammenarbeit mit BDS - sogenannten Antizionismus entlarven
Antragstext
Als konsequente Fortführung des Beschlusses zur Verurteilung jeder Form von
Antisemitismus der 30. BMVmöge die 35. BMV beschließen:
Der ideologisch motivierte und auf die Delegitimierung Israels ausgerichtete
Geschichtsrevisionismus und die Zusammenhangsverkürzungen der BDS-Bewegung sind
als solche klar zu benennen und zu verurteilen. Jegliche Zusammenarbeit mit BDS
ist daher abzulehnen. Grüne Hochschulgruppen unterstützen BDS nicht; weder in
Form von Mitgliedschaften, noch dadurch, BDS-Funktionär*innen eine Bühne an
Hochschulen zu bieten. Grüne Hochschulgruppe wirken auf die Verhinderung oder
zumindest die kritische Begleitung BDS propagierender Veranstaltungen an
Hochschulen hin. Dies gilt auch für BDS ideologisch nahestehende Veranstaltungen
wie die "Israeli Apartheid Week" und Organisationen, die unter einem anderen
Namen als "BDS" dieselben Ziele verfolgen, wie z.B. PACBI (Palestinian Campaign
for the Academic and Cultural Boycott of Israel).
Begründung
BDS: Forderungen, Ziele und Selbstverständnis - ein Faktencheck
Das Kürzel "BDS" steht für "boycott, divestment and sanctions", und fordert einen ausnahmslosen ökonomischen Boykott Israels, das Aufkündigen wissenschaftlicher Zusammenarbeit mit Institutionen in Israel und israelischer Wissenschaftler*innen, sowie einen Boykott Israels auf kultureller Ebene, was beispielsweise beinhaltet, Konzerte von Künstler*innen mit israelischer Staatsangehörigkeit zu verhindern.
Im Selbstverständnis von BDS lesen sich beispielsweise in Bezug auf die israelische Staatsgründung Passagen wie: "[…] the state of Israel was built mainly on land ethnically cleansed of its Palestinian owners […]"[1], womit die Boykottbestrebungen gerechtfertigt werden sollen. Tatsächlich lebten bereits vor und während der Zeit des Britischen Mandats in Palästina Jüd*innen auf legal erworbenem Land[2]. Bereits während dieser Zeit kam es zu antisemitisch motivierten Pogromen, wie dem Massaker von Hebron 1929[3]. Der UN-Teilungsbeschluss 1947, im Britischen Mandatsgebiet einen jüdischen und einen palästinensisch-arabischen Staat zu errichten wurde von den in der Arabischen Liga organisierten UN-Mitgliedsstaaten bereits im Vorfeld heftig abgelehnt – trotz der offensichtlichen Notwendigkeit eines jüdischen Staates, nachdem in der Shoah ein Drittel aller Jüdinnen und Juden weltweit ermordet worden waren. Noch am Tag der Staatsgründung Israels begann mit dem Einmarsch ägyptischer, transjordanischer, syrischer, irakischer und libanesischer Truppen nach Palästina der sogenannte Unabhängigkeitskrieg[4]. Diese Ursache der Vertreibung der arabischen Einwohner*innen Palästinas wird von der BDS-Kampagne komplett ausgeklammert, sie schreiben die Vertreibung als"al-Nakba"("Die Katastrophe") allein Israel zu[5]. Dass im Bürgerkrieg, der von der arabischen Bevölkerung Palästinas als unmittelbare Antwort auf den UN-Teilungsplan ausging, bereits um 1.800 jüdische Einwohner*innen Palästinas umgebracht wurden - begleitet von ständigen Drohungen arabischer Staaten, im Falle der Gründung eines jüdischen Staates in diesen einzufallen[6] - ist für BDS im Gegenzug kein Grund, von ethnischen Säuberungen zu sprechen.
Auch werden viele Faktoren, die den Israelisch-Palästinensischen Konflikt weiterhin am Laufen halten, ausgeklammert. In der Absicht, Israel zu dämonisieren und zu delegitimieren werden israelische Siedlungen als einzige Konfliktursache benannt - wobei nicht ganz klar ist, ob damit die heute üblicherweise als solche bezeichneten und teilweise illegalen israelischen Siedlungen im Westjordanland, oder die Anwesenheit von häufig als "nicht-indigen" bezeichneten jüdischen Einwanderinnen und Einwanderern in der Region an sich gemeint ist[7]. Die in Teilen durchaus kritikwürdige Politik der israelischen Regierung wird in diesem Sinne erstens als vom gesamten israelischen "Volk" (durchaus nicht immer im Sinne von "Bevölkerung", sondern zuweilen auch als ethnisches oder gar "rassisches" Konstrukt) verursacht und zweitens als ursächlich für sämtliche gegen Israel und seine Einwohner*innen gerichteten Ressentiments in Palästina und den arabischen Nachbarstaatenbetrachtet. Damit wird zum einen unzulässigerweise Schuld kollektiviert und zum anderen die Funktion des Antisemitismus als einer Ideologie zur Stabilisierung autokratischer Herrschaftsstrukturen unterschlagen. Dass auch das Feindbild des arabischen Terroristen in Israel und dem gesamten Westen rechtsgerichtete Regierungen stabilisiert, widerspricht dem nicht - ein ursächlich orientiertes Lösen des Nahostkonfliktes muss emanzipatorisch handeln, die beidseitig, aber insbesondere auf arabisch-palästinensischer Seite vorhandene Konstruktion von Feindbildern entlarven und die Notwendigkeit herrschaftsstabilisiernder Ideologie durch Demokratisierung überwinden. BDS suggeriert hingegen, dass allein Israel eine Bringschuld hätte und klammert zudem den europäischen Antisemitismus, der den Staat Israel erst notwendig machte, kurzerhand aus.
Eine der zentralen Forderungen von BDS ist ein Rückkehrrecht für alle vertriebenen Palästinenser*innen. Zu diesen zählt BDS neben den durch den Teilungsplan und Kriege Vertriebenen auch deren Nachkommen, was laut Schätzungen von BDS eine Zahl von über 7,25 Millionen Menschen ausmacht[8]. Diese Schätzung erscheint im Vergleich mit der Zahl von ca. 5,25 Millionen bei der UNRWA (Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten)nicht unrealistisch[9]. Zieht man in Betracht, dass die derzeitige Bevölkerungsgröße Israels bei 8,25 Millionen Menschen liegt, von denen etwa 75% jüdisch sind[10], so wird klar, dass die Umsetzung der BDS-Interpretation eines Rückkehrrechtes das Ende Israels als mehrheitlich jüdischem Staat bedeutet.Vor dem Hintergrund der derzeitigen Verbreitung antisemitischer Vorurteile im arabischen Raum erzwänge eine solche demografische Entwicklung eine Entscheidung zwischen der Abschaffung des Wahlrechts für Araber*innen und der Funktion von Israel als Refugium für Jüd*innen. Die Absurdität einer solchen Forderung wird insbesondere dann deutlich, wenn man den potenziellen Bevölkerungszuwachs durch das Rückkehrrecht (+88%) in Relation zu dem, was man in Deutschland bereits als Flüchtlingskrise bezeichnet (+2% in zwei Jahren), setzt.
Desweiteren bedient sich BDS des Vergleichs von Israel mit dem historischen südafrikanischen Apartheidsregime. Ganz abgesehen davon, dass auch diese Kampfrhetorik die Alleinschuld Israels propagiert, beschönigt der Apartheidsvorwurf die Zustände, unterdenen die Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung viele Jahre gelitten hat. Israel ist kein Apartheids-Staat. Es herrscht keine staatlicheSegregation von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe oder Religionsgemeinschaft. Israel ist eine Demokratie, an der sich alle Bürger*innen politisch beteiligen können. Wie in allen Rechtsstaaten bedeutet Gleichheit vor dem Gesetz aber nicht automatisch, dass jeder zu jeder Zeit frei von Diskriminierung wäre. Vorurteile - in Politik, Polizei, Armee und Gerichten - führen zu individuellen Diskriminierungserfahrungen von Minderheiten. Emanzipatorische Haltung bekämpft dies - differenziert aber zwischen gesellschaftlicher und institutionalisierter Benachteiligung. In Südafrika fand lange beides statt: People of Color wurden jahrelang staatlich diskriminiert, lebten hierarchisch ganz prinzipiell unterhalb der weißen Bevölkerung und hatten nicht die gleichen demokratischen Rechte. Deshalb gibt es auch aus der südafrikanischen Anti-Apartheids-Bewegung eine klare Ablehnung gegenüber dem Apartheidsvergleich durch BDS - so sagt Kenneth Meshoe, Vorsitzender der African Christian Democratic Party: "Während dieser Reise hielt ich gezielt nach allem Ausschau, was nach Apartheid aussah. Ich nahm den Bus ins Stadtzentrum von Jerusalem, aber Schwarze, Juden, Araber und alle anderen sassen nebeneinander. Im Toten Meer schwammen alle gleichzeitig. Ich suchte Strände mit dem Hinweis ‚nur Schwarze‘, aber es gab keine. Arabische Lehrer unterrichteten in jüdischen Schulklassen! Das wäre zur Zeit der Apartheid niemals möglich gewesen.“[11]
Akademischer und kultureller Boykott
Während BDS den ökonomische Boykott Israels auch durch Parallelen zu den Wirtschaftssanktionen gegen den Iran zu legitimieren versucht [12], geht der durch BDS propagierte Boykott jedoch deutlich weiter. Dass während der Olympischen Spiele 2016 in Rio ein ägyptischer Judoka seinem Israelischen Kontrahenten den Handschlag verweigerte und die Athleten des libanesischen Teams die Türen eines Busses blockierten, um das israelische Team von der Mitfahrt auszuschließen, wird auf der Website von BDS unter Hinweis auf einen Online-Zeitungsartikel ebenso als Erfolg der BDS-Kampagne gewertet [13] wie die Beendigung der Beziehungen zwischen der südafrikanischen Universität Johannesburg und der israelischen Ben Gurion Universität in Beer Sheba[14]. Der Aufruf zum allgemeinen Boykott israelischer Universitäten [15] ist so diskriminierend wie unkonstruktiv. Dass ausgerechnet Israel das Ziel solcher Boykottaufrufe wird, ist darüber hinaus kein Zufall – offenkundig sind solche Forderungen anschlussfähig an reaktionäre, antisemitische Einstellungen und auf (jüdische) Feindbilder projizierten Antikapitalismus. Die BDS-Kampagne ist vor diesem Hintergrund als in ihrer Logik und Wirkung - nicht zwangsläufig jedoch in der Intention ihrer Protagonist*innen - antisemitisch einzustufen, da sie pauschalisiert, einseitig kritisiert, Kausalketten verkehrt und die Isolation Israels statt der Verständigung der in der Region lebenden Menschen zum Ziel hat. In den USA, wo BDS bereits weiter verbreitet ist als in Deutschland, ist laut einer von der NGO "AMCHA"("Dein Volk"), die gegen Antisemitismus an Bildungseinrichtungen arbeitet, in Auftrag gegebenen Studie ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Präsenz von BDS-Gruppen auf dem Campus und antisemitischen Vorfällen erkennbar[16] - was BDS als Katalysator für menschenfeindliche Einstelungen entlarvt.
Schlussbemerkungen
Es ist festzuhalten: BDS ist eine in ihrer Dimension weltweit einzigartige Delegitimierungskampagne gegen Israel, während es keine vergleichbaren Bewegungen gegen Länder gibt, in denen es um die Menschenrechte weitaus schlechter steht. Die BDS-Kampagne versucht, auf die internationale Isolation Israels hinzuwirken, indem sie ein absurdes Täter-Opfer-Verhältnis zwischen "dem Apartheidsstaat" Israel und Palästina konstruiert und sich dabei argumentativ unlauterer Mittel bedient. Das Existenzrecht des Staates, der den verfolgten Jüd*innen der Welt Schutz bot beziehungsweise bietet, wird in Frage gestellt. Angesichts der deutschen Geschichte sind Boykottaufrufe gegen den jüdischen Staat besonders hier unangemessen.
Antrag:
Als konsequente Fortführung des Beschlusses zur Verurteilung jeder Form von Antisemitismus der 30. BMV[17] möge die 35. BMV beschließen:
Der ideologisch motivierte und auf die Delegitimierung Israels ausgerichtete Geschichtsrevisionismus und die Zusammenhangsverkürzungen der BDS-Bewegung sind als solche klar zu benennen und zu verurteilen. Jegliche Zusammenarbeit mit BDS ist daher abzulehnen. Grüne Hochschulgruppen unterstützen BDS nicht; weder in Form von Mitgliedschaften, noch dadurch, BDS-Funktionär*innen eine Bühne an Hochschulen zu bieten. Grüne Hochschulgruppe wirken auf die Verhinderung oder zumindest die kritische Begleitung BDS propagierender Veranstaltungen an Universitäten hin. Dies gilt auch für BDS ideologisch nahestehende Veranstaltungen wie die "Israeli Apartheid Week" und Organisationen, die unter einem anderen Namen als "BDS" dieselben Ziele verfolgen, wie z.B. PACBI (Palestinian Campaign for the Academic and Cultural Boycott of Israel).
Fußnoten:
[1]https://bdsmovement.net/call, abgerufen am 3.2.2017
[2] John Hope Simpson: Palestine. Report on Immigration, Land Settlement and Development, London 1930, S. 51 f.
[3]http://www.jewishvirtuallibrary.org/the-hebron-massacre-of-1929, abgerufen am 3.2.2017
[4]http://www.bpb.de/internationales/asien/israel/44995/gruendung-des-staates-israel, abgerufen am 3.2.2017
[5]https://bdsmovement.net/colonialism-and-apartheid/nakba, abgerufen am 4.2.2017
[6]http://www.haaretz.com/opinion/.premium-1.746676, abgerufen am 4.2.2017
[7]https://bdsmovement.net/colonialism-and-apartheid/summary, abgerufen am 4.2.2017
[8]https://bdsmovement.net/what-is-bds, s. auch https://bdsmovement.net/news/bds-and-right-return, abgerufen am 4.2.2017
[9]https://www.unrwa.org/sites/default/files/content/resources/unrwa_in_figures_-2016.pdf, abgerufen am 4.2.2017
[10]http://mfa.gov.il/MFA/AboutIsrael/People/Pages/SOCIETY.aspx, abgerufen am 4.2.2017
[11]http://www.audiatur-online.ch/2016/11/01/israel-apartheid-vergleich-beleidigt-suedafrikanische-schwarze/, abgerufen am 10.2.2017
[12]https://bdsmovement.net/news/bds-isnt-criminal-here, abgerufen am 4.2.2017
[13]https://bdsmovement.net/news/despite-pain-2016-witnessed-impressive-gains-bds, s. auch http://mondoweiss.net/2016/08/milestone-the-olympics/, abgerufen am 4.2.2017
[14]https://bdsmovement.net/academic-boycott#impact, abgerufen am 4.2.2017
[15]https://bdsmovement.net/academic-boycott], abgerufen am 4.2.2017
[16]https://www.washingtonpost.com/blogs/right-turn/wp/2016/07/26/anti-semitism-spikes-on-u-s-campuses/, abgerufen am 4.2.2017
[17]http://www.campusgruen.de/themen/beschluesse/7919870.html, abgerufen am 10.2.2017
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