Veranstaltung: | 37. Campusgrün Bundesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 7.7.3 Inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand |
Status: | Angenommen |
Eingereicht: | 02.06.2018, 20:49 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A1NEU3: GEGEN JEDEN ANTISEMITISMUS - Benennen, Erforschen, Bekämpfen (Angenommen)
Antragstext
Antisemitismus ist auch im Jahr 2018 ein Thema mit schockierender Aktualität.
Kippa tragende Personen werden in deutschen Städten auf offener Straße
angegriffen. Ein Zustand, der niemals wieder als Normalität akzeptiert werden
darf und dem gerade deshalb immer wieder mit Empörung und Widerstand begegnet
werden muss. Allerdings beginnt Antisemitismus nicht erst dann, wenn
vermeintlich als Jüd*innen identifizierte Personen auf offener Straße körperlich
angegriffen, Synagogen attackiert oder jüdische Friedhöfe geschändet werden.
Antisemitismus beginnt bereits bei verbalen Entgleisungen am Stammtisch, unter
Freund*innen oder in der Schule. Im Folgenden soll daher zunächst versucht
werden eine Begriffsklärung in Form einer Arbeitsdefinition von "Antisemitismus"
zu geben, auf welche sich dieser Antrag auch im Weiteren beziehen wird:
Arbeitsdefinition "Antisemitismus":
"Der Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüd*innen, die sich als
Hass gegenüber Jüd*innen ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in
Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und / oder deren
Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse
Einrichtungen. Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als
jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein. Oft enthalten
antisemitische Äußerungen die Anschuldigung, die Jüd*innen betrieben eine gegen
die Menschheit gerichtete Verschwörung und seien dafür verantwortlich, dass „die
Dinge nicht richtig laufen“. Der Antisemitismus manifestiert sich in Wort,
Schrift und Bild sowie in anderen Handlungsformen, er benutzt negative
Stereotype und unterstellt negative Charakterzüge. (...) Antisemitische
Diskriminierung besteht darin, dass Jüd*innen Möglichkeiten oder Leistungen
vorenthalten werden, die anderen Menschen zur Verfügung stehen." (IHRA
"Arbeitsdefinition Antisemitismus"[1])
Antisemitismus an Schulen
Antisemitismus ist an deutschen Schulen nicht erst seit den jüngsten Berliner
Vorfällen ein gravierendes Problem. Bekannt ist es auch den Verantwortlichen -
Schulleiter*innen, Schulämtern etc. - schon lange. Warum wird dann so lange
trotzdem nichts unternommen? Oft besteht die Antwort auf diese Frage darin zu
sagen, Schulen würden deshalb häufig so lange wegschauen, weil sie nicht
stigmatisiert werden wollten.[2] Allerdings ist wegschauen und die Verantwortung
von sich weisen kein Weg, Antisemitismus zu bekämpfen. Campusgrün fordert daher,
dass Antisemitismus auch an Schulen endlich konsequent bekämpft wird . Dies ist
nur durch einen deutlichen Ausbau von sensibilisierenden Aus- und Fortbildungen
und mehr Zeit im Klassenzimmer und an Lernorten außerhalb der Schule möglich.
Hierfür braucht es endlich vernünftige Betreuungsschlüssel, was bedeutet, dass
deutlich mehr Geld in Schulen investiert werden muss.
Grundlegende Verbesserungen in der Lehramtsausbildung
Um Antisemitismus an Schulen wirklich bekämpfen zu können, muss allerdings auch
die Lehramtsausbildung in diesem Bereich verbessert werden: "Die Forderung, daß
Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so
sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch
zu sollen."[3] Die bereits 1971 von Theodor W. Adorno formulierte Forderung
tatsächlich umzusetzen, bedeutet auch, die Lehramtsausbildung grundlegend zu
verbessern. Campusgrün fordert daher, dass die Geschichte des
Nationalsozialismus und der Shoah ein wichtiger Bestandteil jeder
Lehramtsausbildung sein sollte.
Forschung und Lehre: weiterhin gravierende Lücken
Leider bleiben diese Themen nicht nur in der Lehramtsausbildung (nahezu)
vollkommen unbehandelt. Die Erforschung von Antisemitismus und eine
Auseinandersetzung mit der Shoah haben in den meisten regulären
Lehrveranstaltungen kaum einen Raum. Insbesondere eine Behandlung der
Realgeschichte findet (fast) nie statt. Auch wenn die Förderungen von
Forschungsvorhaben in diesen Bereichen in der jüngsten Vergangenheit bereits
verbessert wurde, ist insbesondere die Situation von Forscher*innen nach der
Promotion in diesem Bereich weiterhin äußerst prekär. [10] Campusgrün schließt
sich daher der Forderung an, die Forschung in diesen Bereichen zu sichern, indem
eine bessere Perspektive für Wissenschaftler*innen geschaffen wird. Darüber
hinaus fehlt eine dauerhafte Beschäftigung mit Antisemitismus, welche diesen
nicht nur als ein Ressentiment oder Relikt der Vergangenheit versteht, sondern
diesen als ein Moment gegenwärtiger Vergesellschaftung erkennt. CampusGrün
fordert daher die Einrichtung von diesem Thema gewidmeten Lehrstühlen.[4]
Israel - “Why do Jews need a land of their own?”[5]
Der moderne Antisemitismus richtet sich nicht selten insbesondere gegen den
Staat Israel. Immer wieder wird von verschiedenen Seiten versucht, die Existenz
des Staates Israel zu delegitimieren. Angefangen dabei, dass die Staatsgründung
bereits “unrechtmäßig” gewesen sei, gefolgt von der Darstellung, Israel sei der
autoritäre und rassistische Staat schlechthin, bis hin zu Behauptungen, welche
Israel als einen “Apartheidstaat” verunglimpfen. Dabei ist gerade Israel die
einzige noch funktionierende Demokratie im Nahen Osten. Völlig außer Acht
gelassen wird von solchen selbsternannten “Kritiker*innen” ebenfalls, dass
Israel der einzige Staat ist, dessen Existenz offen von Vernichtungsdrohungen
real gefährdet ist.[6] Darüber hinaus wird auch die historische Situation und
Prekarität der Lebensbedingungen von Jüd*innen nicht berücksichtigt. Jüd*innen
werden seit Jahrhunderten weltweit verfolgt und als “Sündenbock” für die
unterschiedlichsten gesellschaftlichen Probleme verantwortlich gemacht. Die
millionenfache, industrielle Ermordung der Jüd*innen durch die Nazis in Europa
und das lange Wegschauen der übrigen Staaten der sogenannten Weltgemeinschaft
haben gezeigt, dass das Leben der Jüd*innen in keinem der existierenden Staaten
gesichert ist. Umso verheerender ist es, dass Jüd*innen heute gerade dort am
stärksten bedroht werden, wo sie sich am sichersten wähnten – in Israel. Wir als
Bundesverband Campusgrün verurteilen daher insbesondere auch den auf Israel
bezogenen Antisemitismus in jeglicher Form. Campusgrün versteht sich als
solidarisch mit Israel, was bedeutet, das dessen Recht auf Existenz und
Selbstverteidigung außer Frage steht.
Doppelstandards im Umgang mit Israel
Wenn es um Israel geht, sind auch Doppelstandards oft auf der Tagesordnung. In
vielen politischen, gesellschaftlichen und insbesondere medialen Kontexten wird
der Staat Israel häufig anders beurteilt oder behandelt als andere Staaten. Wenn
es um sozio-ökonomische Ungleichheit geht, wird Israel sogar als
"Apartheidstaat" bezeichnet. Das Problem ist dabei nicht die Kritik, an
einzelnen Amts-/Staatshandlungen, sondern die generalisierende Perspektive und
die Beschränkung dieser Kritik auf den Staat Israel. Häufig wird auch die
ökonomische bzw. soziale Ungleichheit von Personengruppen in Israel kritisiert
(das Einkommen der israelischen Bevölkerung ist gleichmäßiger verteilt als das
in Großbritannien, China und den USA[7]), ohne beispielsweise jemals die
Situation von pakistanischen Gastarbeiter*innen in Dubai oder die von 190
Millionen Kinder, welche weltweit in Staaten wie dem Sudan unter schlimmsten
Bedingungen arbeiten müssen[8], öffentlich zu problematisieren.
Auch in der medialen wie auch in der institutionellen Landschaft des
öffentlichen Lebens, erfährt Israel “Sonderbehandlungen”, die man nur als
Doppelstandards begreifen kann. Während in der UN im Jahr 20 Resolutionen
verabschiedet werden, die “Menschenrechtsverletzungen” in Israel rügen, wurde
nur eine Resolution verabschiedet, welche Menschenrechtsverletzungen in
Nordkorea rügt. Die WHO schafft es sogar Israel, als einzig namentlich genannten
Land, in Berichten die Verletzung von Gesundheitsrechten vorzuwerfen. Israel ist
darüber hinaus der einzige Staat in der UN, dem von anderen Mitgliedstaaten das
Existenzrecht abgesprochen wird[9].
Keine Zusammenarbeit mit BDS - sogenannten Antizionismus entlarven!
Der ideologisch motivierte und auf die Delegitimierung Israels ausgerichtete
Geschichtsrevisionismus und die Zusammenhangsverkürzungen der BDS-Bewegung sind
als solche klar zu benennen und zu verurteilen. Jegliche Zusammenarbeit mit BDS
ist daher abzulehnen. Grüne Hochschulgruppen unterstützen BDS nicht; weder in
Form von Mitgliedschaften, noch dadurch, BDS-Funktionär*innen eine Bühne an
Hochschulen zu bieten.Grüne Hochschulgruppen und ihre Mitglieder verweigern sich
der politischen Zusammenarbeit mit Funktionär*innen und Aktivist*innen des BDS.
Grüne Hochschulgruppen wirken auf die Verhinderung oder zumindest die kritische
Begleitung BDS propagierender Veranstaltungen an Hochschulen hin. Dies gilt auch
für BDS ideologisch nahestehende Veranstaltungen wie die "Israeli Apartheid
Week" und Organisationen, die unter einem anderen Namen als "BDS" dieselben
Ziele verfolgen, wie z.B. PACBI (Palestinian Campaign for the Academic and
Cultural Boycott of Israel).
Unsere Forderungen:
Im Folgenden werden die im Antrag erhaltenen Forderungen noch einmal
zusammengefasst.
- Campusgrün fordert, dass Antisemitismus auch an Schulen endlich konsequent
bekämpft wird. Dies ist nur durch einen Ausbau von sensibilisierenden Aus-
und Fortbildungen und mehr Zeit im Klassenzimmer und an Lernorten
außerhalb der Schule möglich. Hierfür braucht es endlich vernünftige
Betreuungsschlüssel, was bedeutet, dass deutlich mehr Geld in Schulen
investiert werden muss.
- Campusgrün fordert, dass die Geschichte des Nationalsozialismus und der
Shoah ein wichtiger Bestandteil jeder Lehramtsausbildung sein sollte.
- Campusgrün fordert die Einrichtung von Lehrstühlen, die der Erforschung
von Antisemitismus als Moment gegenwärtiger Vergesellschaftung gewidmet
sind.
- Campusgrün schließt sich der Forderung an, die Forschung in den Bereichen
Erforschung von Antisemitismus und Geschichte des Nationalsozialismus und
der Shoah zu sichern, u.a. indem eine bessere Perspektive für
Wissenschaftler*innen geschaffen wird.
- Grüne Hochschulgruppen unterstützen BDS nicht; weder in Form von
Mitgliedschaften, noch dadurch, BDS-Funktionär*innen eine Bühne an
Hochschulen zu bieten. Grüne Hochschulgruppen und ihre Mitglieder
verweigern sich der politischen Zusammenarbeit mit Funktionär*innen und
Aktivist*innen des BDS. Grüne Hochschulgruppen wirken auf die Verhinderung
oder zumindest die kritische Begleitung BDS propagierender Veranstaltungen
an Hochschulen hin.
- Wir als Bundesverband Campusgrün verurteilen daher insbesondere auch den
auf Israel bezogenen Antisemitismus in jeglicher Form. Campusgrün versteht
sich als solidarisch mit Israel, was somit auch bedeutet, das dessen Recht
auf Existenz und Selbstverteidigung außer Frage steht.
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[1] IHRA "Arbeitsdefinition Antisemitismus", ausführliche Definition unter:
https://european-forum-on-antisemitism.org/definition-of-antisemitism/deutsch-
german
[2] http://www.fr.de/politik/meinung/kolumnen/antisemitismus-politischer-
kindergarten-a-1482193
[3] Adorno, Theodor W.: Erziehung zur Mündigkeit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1.
Auflage 1971
[4] Mehr dazu: https://www.tagesspiegel.de/…/hochschulen-gra…/20954222.html
[5] https://web.archive.org/web/20081231221421/http://www.sholom-
aleichem.org/why_jews_need2.htm
[6] Mehr dazu:
https://ajcberlin.org/sites/default/files/downloads/ajcisraelundderarabischisrae-
lischekonflikt.pdf
[7] http://appsso.eurostat.ec.europa.eu/nui/show.do?wai=true&dataset=ilc_di12
[8] https://www.planet-
wissen.de/geschichte/menschenrechte/sklaverei/pwiemodernesklaverei100.html
[9] https://ajcberlin.org/de/media/meinungen/schaendlich-10-faelle-denen-israel-
anders-behandelt-wird
[10] Dies ist nicht nur in der Antisemitismusforschung der Fall, sondern auch in
anderen Feldern der Wissenschaft, welche sich der kritischen Forschung
verschrieben haben.
[11] nicht jüdisch: z.B. können auch Personen mit israelischer
Staatsbürgerschaft im Fall von antiisraelischem Antisemitismus betreoffen sein.
Begründung
Begründung ist im Antrag enthalten und erfolgt noch einmal mündlich.
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