Veranstaltung: | 35. Campusgrün Bundesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 8.3. inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Bundesmitgliederversammlung (dort beschlossen am: 11.03.2017) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 11.03.2017 |
Eingereicht: | 10.03.2017, 14:56 |
A5: Konkordatslehrstühle abschaffen – für eine zeitgemäße Uni!
Antragstext
Ein Konkordatslehrstuhl ist ein Lehrstuhl außerhalb der theologischen Fakultät,
bei dessen Besetzung die katholische Kirche sich ein Vetorecht vorbehält.
Besonders verbreitet sind Konkordatslehrstühle in Bayern (Augsburg, Bamberg,
Erlangen-Nürnberg, München, Passau, Regensburg, Würzburg); außerhalb Bayerns
verfügen die Universitäten Freiburg und Mainz über entsprechende Lehrstühle. An
einigen Universitäten wie beispielsweise Bonn wurden die Konkordatslehrstühle
nach verschiedenen Reformen nicht mehr in die neue Universitätsverfassung
aufgenommen und werden daher nicht mehr besetzt.
Die Grundlage für Konkordatslehrstühle sind Konkordate, also Verträge zwischen
Staat und Kirche. In Bayern wurde dieser Vertrag im Jahr 1924 zwischen dem
Freistaat Bayern und dem Vatikan abgeschlossen. Der Vertrag regelt das
Verhältnis Bayerns zu katholischen Kirche neu und legt beispielsweise fest, dass
an bayrischen Universitäten Theologie gelehrt wird. In Artikel drei des Vertrags
heißt es zudem, dass bayrische Unis dazu verpflichtet werden, der katholischen
Kirche bei je einem Lehrstuhl für Philosophie, für Gesellschaftswissenschaften
und für Pädagogik ein Vetorecht bei der Besetzung einzuräumen. Aus diesem Grund
gibt es an den Universitäten Augsburg, Erlangen-Nürnberg, München, Passau,
Regensburg und Würzburg sowie an der Gesamthochschule Bamberg jeweils drei
Lehrstühle, bei deren Besetzung die katholische Kirche Bedenken äußern kann.
Seit dem Jahr 2013 verzichten die bayrischen Bischöfe auf ihr Vetorecht, der
Vertrag ist aber dennoch nach wie vor rechtskräftig.
Deswegen spricht sich Campusgrün gegen Konkordatslehrstühle aus und fordert
deren Abschaffung.
Begründung
Im Jahr 2007 bewarb sich die Philosophin Ulla Wessel auf den Lehrstuhl für Praktische Philosophie der Universität Erlangen und wurde abgelehnt. Der Lehrstuhl ist ein Konkordatslehrstuhl. Weil sie nicht katholisch ist, im Bewerbungsverfahren jedoch mehrmals nach ihrer Konfession gefragt worden war, vermutete sie dies als Grund und zog bis vor das Bundesverfassungsgericht.1)
Die Praxis der Konkordatslehrstühle widerspricht damit Artikel 33 des Grundgesetzes, in dem es heißt, dass die religiöse Bekenntnis einer Person deren Chancen bei der Zulassung zu öffentlichen Ämtern in keinster Weise mindern darf. Wird ein*e Bewerber*in aufgrund der „falschen“ Konfession abgewiesen, so ist der Grundsatz eindeutig verletzt.
Will eine aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit abgelehnte Person, wie beispielsweise Ulla Wessel in Erlangen, gegen die Entscheidung klagen, so tauchen dabei weitere Probleme auf: Gegen die Entscheidung des Bischofs kann vor einem staatlichen Gericht nicht geklagt werden. Dadurch wird Artikel 19 GG, laut dem jede Person Rechtsschutz genießt, verletzt.
Laut Art. 5 sind Forschung und Lehre frei – was bedeutet, dass auch die entsprechenden Stellen unabhängig von religiösen Wertevorstellungen besetzt werden sollten. Eine religiös bedingte Ablehnung bestimmter Kandidat*innen widerspricht diesem Grundsatz fundamental und schadet zudem den Universitäten, da durch diese Praxis möglicherweise die Entscheidung nicht auf den*die beste Kandidat*in, sondern auf die „katholischste“ fällt. Nur eine klare Trennung von Kirche und Staat ermöglicht zudem die gleichberechtigte Existenz unterschiedlicher Religionen.
1) Vgl. Wie die katholische Kirche eine Professorin verhinderte, in: Süddeutsche Zeitung vom 18.04.2012, unter: http://www.sueddeutsche.de/bayern/philosophin-reicht-verfassungsklage-ein-wie-die-katholische-kirche-eine- professorin-verhinderte-1.1335177 (zuletzt aufgerufen am 02.11.2016)
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