Veranstaltung: | 35. Campusgrün Bundesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 8.3. inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Bundesmitgliederversammlung (dort beschlossen am: 11.03.2017) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 11.03.2017 |
Eingereicht: | 11.03.2017, 17:57 |
A6: Asyl ist Menschenrecht – Keine Abschiebungen nach Afghanistan!
Antragstext
In vielen Staaten werden sind Homosexuelle, Frauen und Journalist*innen sowie
generell Andersdenkende von staatlicher Repression, Verfolgung und anderen
schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen betroffen. Menschen werden aufgrund
ihres Geschlechts, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Glaubens, ihrer
ethnischen Herkunft oder ihrer Weltanschauung verfolgt und suchen deshalb
Zuflucht. Dieser Zufluchtsort könnte Deutschland sein, jedoch ist die aktuell
praktizierte Asyl-Politik in Deutschland weder Willkommens- noch
Integrationskultur, sondern eine massive Verletzung der Menschenrechte. Und das,
obwohl auch Deutschland die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte
unterschrieben und ratifiziert hat; damit hat nach Art.14 Abs.1 Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte jeder Mensch das Recht auf Asyl.
Menschen stehen aufgrund ihres Aussehens oder ihrer Herkunft unter
Generalverdacht, welcher zu Diskriminierungen seitens der Behörden, wie das
Beispiel der letzten Kölner Silvesternacht (2016/17) drastisch zeigte, und
institutionellem Rassismus führt. Populistische Neologismen verstärken den
Eindruck symbolpolitischer und wahlkampforientierter Strategien, die lediglich
auf kurzfristige und opportunistische Ziele ausgerichtet sind. Darüber hinaus
hat die Initiierung von Massenabschiebungen auch eine symbolpolitische
Konnotation, Rassistische Ressentiments werden damit handlungsleitend und
hegemonial, menschliche Schicksale werden ignoriert.
Die wachsende Zahl von Anschlägen auf Gemeinschaftsunterkünfte von Geflüchteten
und verstärkte Angriffe auf Menschen, die sich in der Geflüchteten-Hilfe
engagieren, ist gravierend. Im letzten Jahr wurden 2545 Angriffe auf Geflüchtet
und 988 Angriffe auf Unterkünfte verübt. Dies ist ein Zeichen für einen
erschreckenden gesellschaftlichen Rechtsruck, dem die aktuelle Asylpolitik einen
zusätzlichen Nährboden verschafft. Eine Strategie gegen rechten Terror kann die
Bundesregierung nicht vorweisen, dafür Stand heute 3 Sammelabschiebungen nach
Afghanistan. Wir lehnen einen solchen polemischen Wahlkampf auf Kosten von
Menschenleben ab.
Zur Lage in Afghanistan
Im Herbst 2016 hat Brüssel mit Kabul ein Rücknahmeabkommen abgeschlossen,welches
Afghanistan die Fortsetzung der Milliardenunterstützung zum Wiederaufbau des
Landes gegen eine problemlose Rücknahme afghanischer Flüchtlinge zusichert.
Aufbauend auf dem Abkommen fand am 14.12.16 die erste Sammelabschiebung nach
Afghanistan statt.
Aktuell werden vor allem alleinstehende Männer afghanischer Herkunft
abgeschoben.
Dabei stellt die sogenannte "Starthilfe Plus" nur eine prätentiöse Maßnahme zur
"Wahrung derMenschlichkeit" dar, da sie keine grundlegende Existenssicherung
garantieren kann.
Nach dem Rückzug der ISAF-Gruppen Ende des Jahres 2014 hat sich der Anteil der
von Taliban kontrollierten Gebiete dramatisch erhöht. In Verbindung mit dem
Einfluss lokaler Stammesstrukturen verschiedener Clans ist der Aufbau
staatlicher Strukturen erschwert.
Trotz der prekären Sicherheitssituation stuft das Bundesinnenministerium (BMI)
vor allem urbane Zentren als weitgehend „kontrollierbar“ ein. Dennoch kommt es
in regelmäßigen Abständen gerade in urbanen Ballungszentren zu Terroranschlägen,
welche sich hauptsächlich gegen die Zivilbevölkerung richten.
Diese werden vor allem durch Terrorgruppen wie den radikalen Taliban verübt.
Zahlen von August 2016 besagen, dass seit Beginn des Afghanistankrieges 2001
mehr als 31.000 Zivilisten getötet wurden [1]. Laut des Jahresberichts der UN
Unterstützungsmission für Afghanistan (UNAMA) von Februar 2016 erreichte die
Zahl der zivilen Opfer im Jahr 2015 ein Rekordniveau.
In starkem Widerspruch zum BMI stuft das Auswärtige Amt die Gefahr für Leib und
Leben „in jedem zweiten der etwa 400 afghanischen Distrikte als hoch oder extrem
ein“ [2].
Der im Rahmen des Asylverfahrens entwickelte Quotient der sogenannte
„Gefahrendichte“, welche die Gefährdungslage eines einzelnen Gebiets
quantifizieren soll, wird vielfach als Argumentationsgrundlage für die Ablehnung
von Asylgesuchen herangezogen. Vergleicht man den von Prof. Dr. Dr. Paul
Tiedemann, ehemaliger Richter, errechneten „Body Count“ für die Phase des
zweiten Weltkriegs, liegt dieser erschreckenderweise auf ähnlichem Niveau[3].
Dies zeigt wie absurd und euphemistisch die derzeitige Einschätzung der
Sicherheitslage der Bundesregierung ist.
Des Weiteren ist die wirtschaftliche Lage katastrophal, im Human Development
Index liegt Afghanistan auf Platz 171 von 187 [4]. Weder medizinische noch
sanitäre Versorgung ist gewährleistet, so ist nur in 7% des Landes eine
Stromversorgung möglich. Dazu verschärft die stetig wachsende Zahl von
Binnenvertriebenen und die Rückkehr von ca. 600.000 Afghan*innen aus Pakistan
und anderen angrenzenden Ländern die ohnehin schon prekäre gesellschaftliche
Situation. Besonders dramatisch ist dabei die Lage verschiedener Minderheiten.
Zu diesen zählen die Hasahra, Hindus und Sikhs, die innerhalb des Landes starken
Opressionen ausgesetzt sind.
Die Ansicht der Bundesregierung, in Afghanistan drohe keine Gefahr für Leib und
Leben, erscheint innenpolitisch motiviert und erfordert eine klare Antwort. Wird
diese Einschätzung, und damit eine Politik, die bewusst Menschenleben gefährdet,
nicht geändert, ist es geboten, sich dieser Politik entschlossen in den Weg zu
stellen.
Auch die „freiwillige“ (und staatlich unterstützte, oft Abschiebungen
zuvorkommende) Rückkehr zahlreicher Geflüchteter ändert nichts an der
beschriebenen Problematik von Abschiebungen, da – wie oben bereits erwähnt – die
freie Wahl des Wohnortes essenziell für eine liberale Weltordnung ist. Die
„freie“ Entscheidung Einzelner zur Rückkehr in ihr Herkunftsland sollte daher
nicht dahingehend ausgelegt werden, Rückführungen zur gängigen Praxis und aus
persönlichen Entscheidungen staatlich verordnete Gewalt zu machen.
Die Bundesregierung verfolgt derzeit – in Zusammenarbeit mit europäischen
Partner*innen und der Außenbeauftragten der EU, Federica Mogherini, die
Abwehrpolitik gegenüber Geflüchteten in alle Welt auszulagern. Ziel ist es,
Rücknahmeabkommen mit Herkunfts- und Transitländern zu erreichen und die
sogenannte Grenzsicherung auf den Migrationsrouten zu steigern. Die Durchsetzung
von Rücknahmeabkommen, Migrationspartnerschaften und Grenzsicherung wird dabei
mit Instrumenten der Entwicklungshilfe verknüpft. Dies geschah auch im Fall
Afghanistan, als die deutsche Bundesregierung der afghanischen Regierung im
Rahmen der Internationalen Geberkonferenz mit der Drohung der Zurückhaltung von
Hilfsleistungen ein Rücknahmeabkommen aufzwang. Auf Basis dieses Abkommens
werden nun die Sammelabschiebungen durchgeführt. Nicht zuletzt wird damit weiter
zur Destabilisierung von Staaten wie Afghanistan beigetragen, da sie diese
Maßnahmen gegen den Willen der Bevölkerung durchführen müssen und ihre
nationalen Ökonomien von Geldtransfers von Migrant*innen in höchstem Maße
abhängig sind.
Anstatt nach Afghanistan abzuschieben, sollten Strategien entwickelt werden, die
es den Menschen in Afghanistan ermöglichen, wieder in Frieden und Sicherheit zu
leben. Zudem sollten lokale demokratische Strukturen besonders unterstützt
werden, um in Zukunft freie Wahlen im ganzen Land zu ermöglichen
Campusgrün fordert daher:
- Keine weiteren Abschiebungen nach Afghanistan
- Neueinschätzung der Sicherheitslage in Afghanistan
- Abschaffung der Einschränkungen des Asylrechts durch die "sichere-
Herkunftsstaaten-Regelung"
- Keine Abschiebung verfolgter Minderheiten
- Mehr Beachtung individueller Schicksale
- Bekämpfung der Fluchtursachen statt restriktiver Asylpolitik, d.h. Nicht-
Umsetzung des 10-Punkte-Plans von Malta
- Öffnung der Flüchtlingsrouten
- Verbesserung der Situation Geflüchteter in Deutschland (u.a. Umwandlungen von
(Ketten-)Duldungen in Aufenthaltserlaubnisse
Eine Korrektur im Asylrecht alleine reicht uns aber nicht aus. Es muss neu
überarbeitet werden. So mass das Prinzip der sicheren Herkunftländerregelung und
auf europäischen Ebene das Dublin III-Abkommen abgeschafft werden. Stattdessen
braucht es eine EU weite Regelung, in der das individuelle Recht auf Asyl im
Vordergrund stehen muss. Langfristig setzen wir uns darüber hinaus für die
Abschaffung aller staatlichen Grenzen ein! Die Campusgrün
Bundesmitgliederversammlung fordert alle Mitgliedsgruppen und den Bundesvorstand
auf, öffentlich auf die genannten Forderungen aufmerksam zu machen, z.B. mit
informierenden Veranstaltungen und Pressemitteilungen.
Quellen
[2] ProAsyl. Afghanistan: Kein sicheres Land für Flüchtlinge. Eine Recherche zur
politischen und und ökonomischen Situation im Land, und zur Situation der
Flüchtlinge zur Sicherheit.
https://www.proasyl.de/wpcontent/uploads/2016/08/PROASYL_Afghanistan_Broschuere_-
- Jul16.pdf
[3] Prof. Dr. Dr. Tiedemann Gefahrendichte und Justiz – Versuch einer
Rationalisierung, ZAR 2016, S.53 ff.
[4] United Nations Development Programme. Human Development Reports.
Afghanistan. http://hdr.undp.org/en/countries/profiles/AFG
Begründung
Der Antrag ist inhaltlich unterstützenswert, allerdings an vielen Stellen nicht zutreffend oder verkennt die wirklichen Problemlagen. Deshalb haben wir uns bemüht, den Antrag zu überarbeiten. Dabei ist u.a. der aus unserer Sicht wenig aussagekräftige und menschenrechtlich nicht korrekte anfang weggefallen. Zur Lage in Afghanistan haben wir die Schlaglichter des Antrags ergänzt.
Bei den Forderungen haben wir etwas nachgeschärft, da "Lockerung" bei den sicheren Herlunftsstaaten nicht eindeutig war.
Die Ändeurngsanträge von Campusgrün Köln sind darüber hinaus bereits eingearbeitet.
Wir bitten euch um Annahme unses Globalalternative und danken CG Hamburg für die Vorlage.
P.S. das Tool ist leider nicht sehr Global-Alternativen-Geeignet. Für die komische Darstellung können wir nix.
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