Veranstaltung: | 35. Campusgrün Bundesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 8.3. inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Bundesmitgliederversammlung (dort beschlossen am: 12.03.2017) |
Status: | Angenommen |
Beschlossen am: | 12.03.2017 |
Eingereicht: | 11.03.2017, 16:33 |
A8: Solidarität mit den kritischen Kräften in der Türkei
Antragstext
Campusgrün erklärt sich solidarisch mit den festgenommenen demokratisch
gewählten Politiker*innen der HDP sowie den zahlreich inhaftierten
Journalisten*innen, Wissenschaftler*innen, Studierenden und Andersdenkenden,
welche spätestens seit dem Putschversuch in der Türkei am 15. Juli 2016 massiven
Repressionen ausgesetzt sind.
Wir setzen uns für die konkrete ideelle sowie materielle Unterstützung der von
Unterdrückung betroffenen Zivilgesellschaft ein und fordern die Bundesregierung
auf, an dieser Stelle tätig zu werden, indem sie auf die türkische Regierung
insofern einwirkt, als dass sie den Ausnahmezustand aufheben möge, die
politischen Gegner freilasse, die unveräußerlichen Menschenrechte beachte und
die Meinungsfreiheit respektiere. Darüber hinaus sollen Möglichkeiten, für von
Repressionen betroffenen Menschen in Deutschland Schutzräume zu schaffen, v.a.,
indem man ihnen Asyl gewährt, erörtert und rasch umgesetzt werden.
Nein (Hayir) zum Verfassungsreferendum!
Am 16. April wird in der Türkei über ein Verfassungsreferendum entschieden, das
maßgeblich vom autoritären Präsidenten Erdogan und seiner AKP auf den Weg
gebracht wurde. Die türkischen Bürger*innen werden darüber entscheiden, ob die
Türkei Abstand von der demokratischen Gewaltenteilung nimmt und zu einem
Präsidialsystem mit autoritärem Charakter umgebaut wird. Der türkische Präsident
könnte als direkt gewählter Volksvertreter, der das Amt des Ministerpräsidenten
und des Präsidenten auf sich vereinigt, Gesetze erlassen, die gelten bis das
Parlament ein anderes Gesetz zu dem Thema erlassen hat, Richter*innen und
Minister*innen ohne Zustimmung des Parlaments ernennen, das Parlament auflösen
und er wäre Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Dies käme natürlich in erster
Linie dem amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan zugute. Anders als
beispielsweise in den Vereinigten Staaten, die ebenfalls ein Präsidialsystem
haben, gäbe es daneben nahezu keine parlamentarischen Kontrollmechanismen mehr.
Schon jetzt besteht eine enorme Machtasymmetrie zwischen der Regierung und der
Opposition. So kontrollieren Erdogan, AKP und MHP einen Großteil der Medien und
bekämpfen konsequent oppositionellen Journalismus. Zudem werden die staatlichen
Ressourcen zu Propaganda-Zwecken genutzt. Diese Gleichschaltung der politischen
Akteur*innen muss verhindert werden. Campusgrün solidarisiert sich
mit der Hayir-Bewegung und spricht sich gegen die Annahme des Referendums aus.
Begründung
Freiheit in Bildung, Wissenschaft und Forschung sind Grundlagen demokratischer Gesellschaften. Die aktuelle Situation in der Türkei höhlt diese Ideen, welche untrennbar von den für uns vermeintlich unveräußerlichen Menschenrechten sind, jedoch Tag für Tag aufs Neue aus. Wissenschaftler*innen und Studierende, welche einen Friedensappell unterzeichnen oder bezichtigt werden, einer regierungskritischen Organisation angehörig zu sein, werden verfolgt und massiv unter Druck gesetzt, was große Teile der Zivilgesellschaft in ihrer Kritik an der Regierung verstummen lässt. Zugleich gibt es in der Türkei eine große Anzahl von Menschen, die sich tapfer für ihre Rechte einsetzen und damit große Gefahren eingehen, welche tief in ihre Rechte im Alltag eingreifen. Diese werden meist ohne rechtsstaatliches Verfahren verfolgt, aus dem Dienst entlassen und ihrer Freiheit beraubt. Auch plant die türkische Regierung seit einiger Zeit, die Todesstrafe wieder einzuführen. Hier ist es dringend geboten, für die hiesigen Menschenrechte auch in der Außenpolitik einzustehen, um zu verhindern, dass die Lage weiter eskaliert.
Die Strategie der Bundesregierung ist in dieser Causa bislang sehr defensiv, die Kooperation mit der türkischen Regierung hält an, harte Forderungen zur freien Meinungsäußerung lassen sich bislang nicht finden, Verstöße bleiben ohne Ahndung und die Aufklärung der deutschen Bevölkerung ist als verhalten zu bezeichnen. Auch das Nichteingreifen der deutschen Bundesregierung muss somit als Positionierung, in diesem Falle gegen eine unbedingte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, gedeutet werden und ist folgerichtig abzulehnen.
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